Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen!
Ich bin seit langem in Bayern unterwegs und schaue mir die Lage vor Ort an, in Flüchtlingsunterkünften, in den Landratsämtern und auch in den Jugendämtern. Die Überforderung ist groß. Ich denke an Passau, Rosenheim und München – Sie alle kennen die Bilder. In Bayern kommen besonders viele Flüchtlinge an, darunter viele Minderjährige und auch unbegleitete Minderjährige. Bisher waren die Kommunen damit ziemlich alleingelassen; das muss man so sagen.
Das alles war nur zu stemmen durch einen fast überirdischen Einsatz sowohl der Landräte als auch der Kommunalpolitikerinnen und -politiker als auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jugendämtern und den Landratsämtern. Vor allem ist es den vielen Ehrenamtlichen zu verdanken, dass man das überhaupt stemmen konnte.
Man darf die Kommunen damit nicht länger alleinlassen. Ich wollte das heute eigentlich fordern. Aber der gestrige Gipfel hat viele Verbesserungen beschlossen, auch dank der grün regierten Bundesländer, die viele gute Dinge hineinverhandelt haben. Verbesserungen sind also in Sicht. So werden zum Beispiel 350 Millionen Euro für die Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bereitgestellt. Wie lange das Geld reichen wird, werden wir sehen. Es ist auf jeden Fall gut, dass jetzt etwas passiert.
Wir fordern in unserem Antrag , dass vor einer eventuellen Verteilung eine intensive Feststellung des Bedarfs durchgeführt wird. Wir wollen, dass in keinem Fall verteilt wird, wenn es Verdachtsmomente auf Sklavenhandel, Zwangsprostitution oder Sklaverei gibt. Wir wollen auch nicht, dass verteilt wird, wenn der Verdacht besteht, dass die betreffenden Kinder oder Jugendlichen Kindersoldaten waren. Diese Kinder haben genug durchgemacht. Sie brauchen Ruhe, sie müssen erst einmal ankommen. Dafür braucht es Zeit, Empathie, viel Sensibilität und viel Professionalität
Eine überhastete Verteilung würde jedes Vertrauen dieser jungen Menschen in ihre Betreuer und Betreuerinnen, aber auch in unsere Behörden erschüttern, was eine Zusammenarbeit sehr erschweren würde. Vergessen wir den zentralen Punkt nicht, den uns die UN-Kinderrechtskonvention vorgibt. Wir müssen die Kinder und Jugendlichen – Frau Dörner hat das schon gesagt – an solchen Entscheidungen beteiligen. Wir müssen sie auch fragen, welches Reiseziel sie haben und warum.
Es macht auch gar keinen Sinn, Kinder, die monatelang allein auf Reisen waren, irgendwo hinzubringen. Sie bleiben dort nicht, sie gehen weg und fallen in die Illegalität. Sie können dann nicht mehr unter den Schutz der Jugendhilfe des Staates gestellt werden und sind dann ganz allein. Deswegen muss man mit ihnen auch verhandeln. Es ist natürlich klar, dass wir nicht jeden Wunsch dieser Flüchtlinge erfüllen können; das ist nicht möglich. Aber wir können ihre Bedürfnisse ernst nehmen und genau hinschauen, was mit ihnen passiert ist und warum sie einen Wunsch äußern. Das ist sehr wichtig.
Insofern bitte ich Sie von der Regierungskoalition: Geben Sie sich einen Ruck, und schauen Sie sich Ihre Gesetzesvorhaben noch einmal an, damit Sie wirklich das Kindeswohl und nicht die Finanzen in den Mittelpunkt stellen.