Wenn ich an neue Orte, in neue Arbeitsfelder oder andere Einrichtungen komme, fällt mir zunächst vor allem eines auf: Abkürzungen. Denn sie stehen stellvertretend für eine große Menge Insiderwissen, das jeden Außenstehenden verwirren muss:
„Gehen wir zum Essen in die BPA oder ins PLH? Nein ich muss ich die Frasi. Der Vorsitz der KiKo wurde abgegeben. Vor der AK-Sitzung haben wir übrigens noch AG-Treffen. Die kleine Anfrage der MdBs wurde beantwortet. Holst du die Plenumskarte aus dem JKH?“
Am ersten Abend schwirrt einem fast notwendigerweise der Kopf und es dauert ein paar Tage, bis man ihn ordnen und die Abkürzungen zuordnen kann. Frasi ist die Fraktionssitzung, die KiKo die Kinderkommision und die grüne Fraktion in AKs gegliedert. Die offiziellen Informationen beginnen Sinn zu ergeben, und man kann den Gesprächen beim Mittagsessen zunehmend folgen.
Das ist der erste Schritt, dem noch viele weitere folgen müssen. Der Bundestag ist – das ist mir jetzt bewusst geworden- ein sehr komplexes Gebilde, vom Plenum über die Ausschüsse bis hin zu den Praktikantenstammtischen, von den Pförtnern und den Kantinen-Mitarbeitern bis hin zu den Fraktionsvorsitzenden. Ich hatte nur drei Wochen um einen Einblick zu erhaschen, aber Beates Team versicherte mir, dass man auch nach drei Jahren immer mal wieder von einer Formulierung, einem Formular oder einer Vorgehensweise überrascht wird.
Aber genau das macht es irgendwie aus. Denn das deutsche Parlament mit allem was dazu gehört ist nicht nur hoch komplex, sondern auch hochgradig spannend. Schon immer politikinteressiert ist für mich die Möglichkeit, ein Praktikum in Beates Bundestagsbüro zu machen eine einmalige Chance. Eine Chance festzustellen, dass zwischen „politikinteressiert“ und Bundestags-Kenner ein großer Unterschied besteht. Dass man Lernen kann, das anfängliche Chaos überwinden und langfristig unser Parlament, unser politisches System viel besser zu verstehen. Und, dass das sehr viel Spaß macht.
Natürlich hat man so seine Höhen und - sagen wir mal- nicht ganz so hohe Höhen. Wie wenn man bei einem hochprofessionellen Stakeholder Gespräch fast vom Stuhl fällt zum Beispiel. Aber dann feststellt, dass das niemand gesehen hat. Oder wenn man, eingeschüchtert von der Drohung, der Hausausweis würde zur Fahndung ausgeschrieben, wenn man ihn nicht bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses zurückgäbe, jedes Mal überzeugt ist, ihn verloren zu haben. Und ihn dann doch immer wieder findet. Oder wenn man berühmte Politiker auf dem Gang trifft und den Impuls hat, sie begrüßen möchte wie alte Freunde, da man sie schon so oft auf Bildschirmen gesehen hat. Und diesen Impuls dann erfolgreich unterdrückt und ihnen ganz nonchalant und lässig zunickt.
Es waren zwei spannende Sitzungswochen, die gerade hinter uns liegen. Der Koalitionsvertrag wurde unterschrieben, die Kanzlerin und das Kabinett vereidigt, die Arbeit in den Fraktionen nimmt Fahrt an, die Ausschüsse lernen ihre Minister kennen. Und ich durfte dabei sein und musste mich nur bemühen, nicht zu begeistert zu grinsen wie eine 12-Jährige auf einem Justin Bieber Konzert.
Ich bin Beate und Ihrem Team sehr dankbar, dass ich diese spannende Zeit hier erleben durfte und dass sie mir geholfen haben, einige der losen Enden in meinem Kopf sinnvoll und nachhaltig zu verknoten.