Meine Bundestagskollegin Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Bundestagsfraktion war die Expertin für meine Veranstaltung "Gesundheitssystem auf der Intensivstation aus meiner Reihe Sach- und Fachegespräche:
Nichts wird in diesen Tagen in den sozialen Netzwerken mehr diskutiert als die Verfügbarkeit von Intensivpflegeplätzen. Dabei sind weniger die Plätze das Problem als der Mangel an Fachpflegekräften. Bis zur Fachpflegekraft für Intensiv- und Anästhesiemedizin braucht man nicht weniger als sieben Jahre. Die Verweildauer in einem der Berufsbilder der Pflege beträgt jedoch im Schnitt gerade mal acht Jahre. Das Problem ist alles andere als neu.
Vor allem die schlechten Arbeitsbedingungen, die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die enorme Belastung treiben die Menschen, ganz überwiegend Frauen, in andere Jobs.
„Wir sind viel mehr auf Intensivstation mit unserem Gesundheitssystem als gedacht“ so meine liebe Kollegin Maria Klein-Schmeinck, gesundheitspolitische Sprecherin unserer Grünen Bundestagsfraktion und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. „Wir haben viel Zeit verstreichen lassen“.
Und was klar ist: es gibt viele Probleme in unserem Land bei der Versorgung chronisch kranker und hoch betagter Menschen, bei Kindern und Jugendlichen und im Geburtsbereich. Das war schon vor Corona so und hat sich in der pandemischen Lage verschärft.
Das Pflegepersonal in Deutschland betreut im europäischen Vergleich eine enorme Fallzahl. Gleichzeitig befindet sich die Wertschätzung für die Berufsbilder der professionellen Pflege auf sehr niedrigem Niveau. Bei unseren europäischen Nachbarn stehen Pflegefachkräfte mit Hochschulabschluss an den Betten und arbeiten auf Augenhöhe in interdisziplinären Teams mit Ärzten und Ärztinnen.
In Zeiten von Corona spitzt sich die Lage vor allem in den Langzeitpflegeeinrichtungen zu: „Leider müssen wir davon ausgehen, dass Senioren- und Pflegeheime im Augenblick die gefährlichsten Orte für eine Ansteckung sind, obwohl wir diese Menschen besonders schützen wollten. In der ersten Welle waren wir schockiert über die Berichte aus den Nachbarländern, heute mehren sich die Hotspots mitten in unseren besonders vulnerablen Gruppen. Wir haben hier jeden Vorsprung verloren“, so Maria Klein-Schmeinck. Die Inzidenzen sind bundesweit schwindelerregend mit noch schlimmeren Ausreißern, leider auch in Bayern: Immer an der Spitze mit den Infektionen.
In Gegenden mit vergleichsweise niedrigen Inzidenzen treffen die Infektionsschutzmaßnahmen, die Abstand- und Hygieneregeln augenscheinlich auf eine breitere Zustimmung, die Menschen agieren bedachter. Doch bedächtiges Agieren braucht transparente und nachvollziehbare Strategien und keinen Zickzackkurs, bei dem Ende niemand mehr weiß, was genau gerade gilt und was seit gestern schon wieder ganz anders ist.
Der Teil-Lockdown jedenfalls reicht nicht, um vom Plateau wieder runter zu kommen. Bislang haben wir lediglich eine Stagnation erreicht, eine Besserung ist nicht in Sicht. Das heißt, wir akzeptieren, dass im Schnitt täglich ca.450 Menschen an Corona sterben. Viel menschliches Leid: Mütter, Väter, Geschwister und Kinder werden von dieser Pandemie aus ihren Familien gerissen.
Kliniken verhängen Aufnahmestopps und das medizinische Personal ist am Rand der Erschöpfung oder schon darüber hinaus. Eines ist klar: durch diese Krise kommen wir nur mit Solidarität, Disziplin und mehr Geduld. Dabei müssen wir weiterhin versuchen auch die zu erreichen, denen die Frage „mit“ oder „an“ Corona so schrecklich zynisch und leicht von den Lippen geht.
(BWR)