Frau Walter-Rosenheimer, wie sieht ein "jugendgerechter Freiraum" aus? Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat herausgefunden, dass solche Freiräume Voraussetzung sind für ein gesundes Aufwachsen.

Ganz wichtig ist es, dass Kinder und Jugendliche in die Planung mit einbezogen werden, denn sie wissen selbst am besten, wo sie sich gerne aufhalten oder was sie am liebsten spielen wollen. Wenn sie an dieser Stelle selber mitentscheiden dürfen, dann nehmen sie den Raum hinterher auch viel besser an und fühlen sich ernst genommen. Es ist wie mit dem eigenen Zimmer: Das möchten Jugendliche doch auch selbst gestalten oder bei der Einrichtung zumindest ein gravierendes Wörtchen mitreden.

Warum brauchen junge Menschen nicht nur Freiräume, sondern auch konkrete Angebote, was sie mit ihrer Freizeit anfangen können?

Einfach deshalb, weil sie in den bereitgestellten Freiräumen auch was erleben wollen, sich ausprobieren wollen. Manchmal entwickeln sich daraus ganz tolle Sachen, die die Kinder vorher gar nicht im Blick hatten. Angebote sind einfach Impulse, neue Ideen, Anregungen, was man machen und was Spaß machen kann.

Ihre KiKo-Kollegin Diana Golze (Die Linke) kritisiert, dass seit Jahren nicht genug Geld für die Jugendarbeit ausgegeben wird und die Freizeitangebote darunter leiden. Teilen Sie ihre Kritik?

Frau Golze hat sicher in einem Recht: Sparmaßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass auf diesem Gebiet nichts mehr passiert. Allerdings ist hier wegen der angespannten Haushaltslage in den Kommunen der Spielraum sehr beschränkt. Kommunalpolitiker und -politikerinnen stehen immer häufiger vor der Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Deshalb ist Einfallsreichtum gefragt. Oft entstehen tolle Spielmöglichkeiten durch gute Ideen und Eigeninitiative, Spaß und Kreativität müssen nicht zwangsläufig viel kosten. Kinder und Jugendliche haben da oft die besten Ideen, die gilt es ernst zu nehmen und umzusetzen.

Was passiert, wenn es vor Ort keine Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche gibt?

Dann halten sich Jugendliche oft an anderen Orten auf, zum Beispiel auf Spielplätzen, die aber für Kinder unter 12 Jahren konzipiert wurden. Das führt häufig zu Konflikten, denn Anwohner beschweren sich über Lärm oder die Eltern der kleinen Kinder über Zigarettenkippen oder liegen gebliebene Flasche auf dem Spielplatz. Das gilt auch für andere Orte, etwa U-Bahnhöfe oder Parks und Grünflächen. Dabei wird nicht gesehen, dass die Jugendlichen fast gezwungen sind, sich einen solchen Ort zu suchen, einfach weil es für sie nichts Passendes gibt. Gerade auf dem Land ist es für Jugendliche oft sehr schwierig. Die, die genügend Taschengeld haben, fahren in die nächste Stadt, um in Cafés oder Clubs zu gehen, oder einen Film anzusehen. Die, die weniger Geld zur Verfügung haben, können das nicht. Das Ende vom Lied: Abhängen in Langeweile.

Sie haben selbst fünf Kinder zwischen 13 und 20 Jahren. Wie verbringen die ihre Freizeit, sind sie zufrieden mit der Auswahl in Ihrem Wohnort?

Vier meiner fünf Kinder besuchen noch das Gymnasium und sind dank G8 meistens bis 17 Uhr in der Schule. Da bleibt unter der Woche leider oft gar nicht mehr so viel freie Zeit. Wir leben in einer Stadt mit 40.000 Einwohnern vor den Toren Münchens, die zwar einen relativ hohen sozialen Standard hat, aber recht wenig für Jugendliche bietet. Es gibt zwar einige gute Sportvereine, in denen auch meine Kinder aktiv sind, ein schönes Freibad und eine Eislaufhalle. Zum Shoppen, ins Kino oder um in ein Café oder einen Club zu gehen, fahren allerdings auch meine Kinder nach München. Sie selbst finden nämlich das Angebot für ihre Altersgruppe nicht ausreichend.

Was könnten sie tun, um das zu ändern – wie können junge Menschen Politik mitgestalten und was bringt das?

Eine Möglichkeit kann sein, das Wahlalter zu senken. Wir Grünen sind der Meinung, dass Jugendliche schon vor dem 18. Lebensjahr in der Lage sind, aktiv mitzubestimmen, was in unserem Land passiert. Ein weiterer Punkt ist es, mehr Transparenz zu schaffen, die bürokratischen Abläufe zu vereinfachen. Ich bin zum Beispiel sehr dafür, Entscheidungsprozesse in der Kommunalpolitik online zu stellen und so auch die Meinungen der Jugendlichen einzuholen. Die Politikverdrossenheit würde dann abnehmen, denn Jugendliche würden lernen, dass es auch auf sie ankommt.

Im Januar 2013 werden Sie den Vorsitz der Kinderkommission übernehmen. Welche Ziele wollen Sie dann auf die Agenda der KiKo setzen?

Zwei Themen werden sicher eine adäquate Kinderbetreuung und mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Entscheidungsprozessen sein. Und mit Sicherheit werden wir viele Jugendliche und Kinder einladen. Mein Ziel ist es, mit ihnen zu reden, nicht über sie.

Die Kinderkommission beschäftigt sich vergleichsweise selten mit jugendrelevanten Themen, oft stehen die Kinder im Vordergrund – warum?

Na, das wird sich jetzt ändern, da ich Mutter von fünf Jugendlichen bin.

Werfen wir zum Abschluss noch einen Blick in Ihre Jugend: Wo haben Sie am liebsten Ihre freie Zeit verbracht?

Bis ich zehn war, haben wir in Ingolstadt gelebt, da war ich viel draußen in der Natur oder habe mit anderen Kindern im Hof gespielt. Anschließend zog meine Familie nach München. Und da hatte ich wirklich viele Möglichkeiten. Wir wohnten in Schwabing, da gibt es den Englischen Garten, viele Cafés und Kinos. Ich habe mich gerne mit Freunden und Freundinnen getroffen, zum Bummeln oder Unterhalten, bin aber auch mal in eine Ausstellung oder zum Schwimmen gegangen. Es war einfach viel los. Da erinnere ich mich gerne dran.

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