In diesen Tagen und Wochen zeigt Bayern zwei ganz unterschiedliche Gesichter. Engagierte Bürgerinnen und Bürger empfangen tausende Flüchtlinge mit Applaus am Münchner Hauptbahnhof. Die Bilder von helfenden Händen und erschöpften aber lächelnden Flüchtlingen gehen um die Welt. Szenen wie diese zeigen wie eine echte und menschliche Willkommenskultur aussehen kann. Es sind Bilder, die Mut machen und großen Respekt verdienen.
Auf der anderen Seite übertreffen sich Staatsregierung und CSU-Funktionäre mit populistischen Parolen, schüren mit Begriffen wie „massenhafter Asylmissbrauch" oder „Einwanderung in die Sozialsysteme" diffuse Ängste und gießen Öl ins Feuer derer, die tatsächlich bereit sind, Feuer zu legen.
In einer Zeit, in der besonnenes und tatkräftiges Handeln wichtiger ist denn je, zeigt sich die bayerische Staatsregierung populistisch und offenbart auf erschreckende Art und Weise Verantwortungslosigkeit gegenüber jenen, die besonders schutzbedürftig sind.
Über die Hälfte der Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die heute in München und andernorts ankommen, ist unter 25 Jahre alt und ihre Zahl wird in Zukunft weiter zunehmen. Gerade Kinder und Jugendliche brauchen besonderen Schutz und Unterstützung. Es gilt heute anzuerkennen, dass viele der Flüchtlinge angesichts der zahlreichen Krisen und Konflikte weltweit auf absehbare Zeit nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können.
Der Zugang zu guter Bildung und Ausbildung ist gerade für junge Menschen Anker und Zukunftshoffnung zugleich: Kita, Schule, Betrieb oder Hochschule schaffen nicht nur einen neuen Alltag, sondern sichern berufliche Perspektiven und sind der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben. Deswegen brauchen junge Flüchtlinge möglichst schnell uneingeschränkten Zugang zum deutschen Bildungssystem. Von ihrer frühen und umfassenden gesellschaftlichen Teilhabe profitieren sie selbst, aber auch die deutsche Gesellschaft.
Es ist die gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam mit der Zivilgesellschaft dafür Sorge zu tragen, dass junge Flüchtlinge den Schutz erhalten, den sie benötigen und möglichst schnell und umfassend gleichberechtigte Teilhabe an der deutschen Gesellschaft erlangen.
Wir fordern die bayerische Staatsregierung deshalb auf:
1. Der Forderung der Wirtschaft nach einem gesicherten Bleiberecht für die Zeit der Berufsausbildung unverzüglich Rechnung zu tragen, indem sich die bayerische Staatsregierung auf Bundesebene für eine rechtssichere Bleiberechtsregelung für junge Flüchtlinge während der Berufsausbildung und einer anschließenden zweijährigen Berufsphase einsetzt. Solange diese Bundesregelung nicht zufriedenstellend erreicht ist, müssen junge Flüchtlinge in Ausbildung über entsprechende Landesverordnungen vor einer Abschiebung geschützt werden;
2. Sicherzustellen, dass junge Flüchtlinge umgehend nach ihrer Ankunft vollumfänglichen Zugang zu vorschulischer Betreuung und schulischer, berufsschulischer und betrieblicher Bildung erhalten, um eine möglichst schnelle Teilhabe an der Gesellschaft zu gewährleisten;
3. Die Schulen und Berufsschulen des Freistaates so auszustatten, dass alle jungen Flüchtlinge vom ersten Tag an Zugang zu zusätzlicher Sprachförderung erhalten, damit eine Überführung in den Regelunterricht möglichst zeitnah gewährleistet werden kann. Dafür müssen die so genannten Übergangsklassen finanziell und personell ausgebaut werden.
4. Sich gemeinsam mit dem Bund dafür einzusetzen, dass die bayerischen Kommunen angemessen unterstützt und finanziell ausgestattet werden, um die besonderen Bedürfnisse minderjähriger Flüchtlinge im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention zu gewährleisten. Besonders zu berücksichtigen sind dabei die Vorrangigkeit von Kindesinteressen gerade im Hinblick auf ausländerrechtliche Entscheidungen sowie die konsequente Verbesserung der Lebenssituation von Minderjährigen und die Gewährleistung verbindlicher Standards bei der Inobhutnahme minderjähriger Flüchtlinge.