Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe ZuhörerInnen, liebe Frau Ministerin,

Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ 

Und der Wind der Veränderung weht im Bereich der Ausbildung und der beruflichen Bildung gerade ziemlich stark.

Und das ist auch der Grund, warum das Berufsbildungsgesetz jetzt noch einmal modernisiert wird.

Wir haben ein sehr gutes Berufsbildungssystem in Deutschland, das duale System, das unseren jungen Menschen eine hervorragende Ausbildung ermöglicht und um das wir in aller Welt beneidet werden.

So weit so gut... 

Es gibt aber jetzt verschiedene Herausforderungen, die es notwendig machen, sich erneut damit auseinander zu setzen, was wir für Berufliche Bildung neu denken wollen. 

Die Digitalisierung der Arbeitswelt, die rasant zunehmende Bedeutung des lebensbegleitenden Lernens, fehlende Fachkräfte quer durch die Republik, der ungebrochene Trend junger Menschen zum Studium... das alles erfordert dringend einen wirklich MODERNEN gesetzlichen Rahmen, der das duale System attraktiver, durchlässiger und inklusiv gestaltet. 

Es ist also gut und richtig, eine Novellierung vorzunehmen. Es ist gut und richtig, berufliche Bildung in einem veränderten gesellschaftlichen Kontext zu modernisieren und es ist genauso richtig und wichtig, Ausbildung hier neu aufzustellen. Allerdings hätten wir uns eine umfassendere Reform gewünscht. 

Anstatt die Chance am Schopf zu packen und das Berufsbildungsgesetz zukunfts-und krisenfest umzukrempeln, beschränkt sich die Bundesregierung auf Mittelmaß. 

Zum Beispiel bei der Mindestausbildungsvergütung. Ich freu mich wirklich sehr, dass wir sie jetzt bekommen, ich fordere sie schon sehr lang. Weil ich will, dass Auszubildende fair bezahlt werden. 

Wie ich schon im Ausschuss mehrfach dargestellt habe, halten wir den gefundenen Kompromiss für unzureichend. Warum?

Weil von der neuen Mindestausbildungsvergütung nur ganz wenig Auszubildende profitieren werden. 3 oder 4 Prozent vielleicht. Weil die meisten entweder eh schon darüber liegen oder auch künftig aufgrund bestehender Tarifverträge darunter bleiben werden. Sie werden weiterhin mit Vergütungen von 350 Euro abgespeist. Und das besonders oft im Handwerk und oft im Osten der Republik. Gerechtigkeit sieht anders aus. 

Und Sie wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Groko, wer während der Ausbildung wenig verdient, schmeißt schneller hin. Und das wollen wir nicht. 

Wir wollen, dass Auszubildende zumindest annähernd ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Deshalb muss die Mindestausbildungsvergütung mindestens 80% der tariflichen Durchschnittsvergütung betragen und das fordern wir in unserem Änderungsantrag. Nur so stellen wir faire Bezahlung her und steigern die Attraktivität von Ausbildung. 

Dann unser nächster Kritikpunkt: die Abschlussbezeichnungen, zum Beispiel Bachelor professional oder Master professional, diese Begriffe haben weit über das Parlament hinaus zu großer Kritik geführt. In der Anhörung im Ausschuss vor einer Woche wurde durch die geladenen Expert*innen noch einmal ziemlich deutlich gemacht, das da große Unzufriedenheit herrscht. 

Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung stellen wir nicht durch bloße Namensänderungen her, liebe Frau Ministerin. Arbeitgeber, Gewerkschaften und mit ihnen viele andere laufen Sturm dagegen. Sie fühlen sich übergangen, weil es bisher immer guter Brauch war, hier im Konsens zu entscheiden.

Deshalb fordern wir, die Bezeichnungen jetzt aus dem Gesetzgebungsverfahren zu nehmen und  dann noch einmal mit allen Beteiligten zu diskutieren und in moderierter Runde zu einem Konsens zu kommen. Weil dieser Schnellschuss bringt uns nicht weiter. Da sollten Sie nochmal drüber nachdenken. 

Einen Kritikpunkt will ich noch nennen: der Weg zu einer modernen Gesellschaft und einem modernen Berufsbildungsgesetz geht nur mit Inklusion! Das vernachlässigen Sie. 

Und Inklusion ist hier ein sehr breit gefächerter Begriff, der weit in die Gesellschaft hinein reicht.Es geht um Menschen mit Einschränkungen, um kranke Menschen, um Menschen mit Migrationshintergrund, um Menschen, die sich mit Lernen schwer tun, kurz alle um alle, die mehr Unterstützung und Augenmerk brauchen als andere. 

Deshalb fordern wir eine echte Ausbildungsgarantie für alle. Eine Ausbildungsgarantie, die allen jungen Menschen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden, einen direkten Einstieg in eine vollqualifizierende überbetriebliche Ausbildung ermöglicht. 

Und wir fordern die Verankerung des inklusiven Bildungsansatzes im BBiG. 

Nur so , liebe Kolleginnen und Kollegen, wird Berufsbildung wirklich inklusiv und diskriminierungsfrei. Und nur so erreichen wir unser Ziel, die Teilhabe aller Menschen zu gewährleisten. Unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, sexueller Orientierung, körperlicher oder seelischer Einschränkung. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob das novellierte BBiG die Kraft entfalten wird, die wir uns wünschen, ob es die  genannten Herausforderung meistern hilft, das wird die Zeit zeigen. Und erst dann werden wir sehen, ob die Bundesregierung Mauern gebaut hat oder ob sie den Wind der Veränderung zu nutzen weiß, um die Windmühlen in Gang zu bringen und in Kraft und Energie zu übertragen.

Dafür wünsch ich uns und vor allem auch allen Auszubildenden in diesem Land viel Erfolg.

Sehen Sie hier die ganze Rede.