Mobbing an Schulen hat viele Gesichter. Kinder und Jugendliche, aber auch Lehrkräfte sind zunehmend mit Erscheinungen wie Cybermobbing, Menschenfeindlichkeit oder religiösem Mobbing konfrontiert. Viele Opfer leiden unter Depressionen und geringem Selbstbewusstsein oder haben sogar Selbstmordgedanken.
Das Bundesfamilienministerium möchte mit dem Projekt „Anti-Mobbing-Profis“ präventiv gegen religiös begründeten Extremismus vorgehen.
Wo besteht ein besonders hoher Bedarf und wie kann man langfristige Verbesserungen erzielen, hat Beate Walter-Rosenheimer das Familienministerium gefragt. Die Antwort der Bundesregierung lässt diese Fragen leider offen.
Artikel in der Süddeutsche Zeitung dazu: „Mehr Mittel gegen Mobbing“ (24.07.18)
Zentrale Erkenntnisse:
* Mit ca. 170 Anti-Mobbing-Experten möchte das Bundesfamilienministerium vor allem dem religiös begründeten Extremismus an Schulen entgegenwirken. Angesichts der Gesamtzahl der Schulen in Deutschland (ca. 33.500) sowie der Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler (fast 8.5 Mio.) wirkt das groß angekündigte Projekt nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein (Fragen 1 und 2).
* Kritisch zu sehen ist außerdem, dass alle anderen Formen von Mobbing und Gewalt im Rahmen dieses Programms erst gar nicht adressiert werden (Frage 11).
* Offensichtlich hat das Familienministerium ein Programm installiert ohne wirklich im Dialog mit den Ländern gewesen zu sein (Fragen 3, 4, 18). Wie viele Mobbing-Vorfälle gab es in den letzten Jahren? Wo besteht ein besonders hoher Bedarf an Präventionsmaßnahmen? Gibt es flächendeckende Beratungsangebote für Mobbing-Opfer? Erstaunlich, dass das Familienministerium ein Anti-Mobbing-Projekt auf die Beine stellt, ohne sich ernsthaft mit diesen Fragen auseinandergesetzt zu haben.
* Die Bundesregierung wiederspricht sich selbst. Sie wälzt einerseits die Verantwortung für die Bekämpfung von Mobbing an Schulen an die Länder ab (Frage 4). Andererseits verweist sie auf die Möglichkeit, dass der Bund im Rahmen seiner Anregungsfunktion nach §83 des SGB VIII doch aktiv werden kann (Frage 5).
* Aus Grüner Sicht müssen Schulen langfristig durch unterstützende Rahmenbedingungen gestärkt werden, z.B. durch zusätzliche Ressourcen für einschlägige Fortbildungsangebote für pädagogische Fachkräfte sowie für mehr Stellen in der Schulsozialarbeit. Beides ist im Anti-Mobbing-Projekt nicht vorgesehen (Frage 10, 20). Die Bundesregierung hat offensichtlich keinen Plan, wie die Projektergebnisse nachhaltig gesichert werden können, nachdem die Anti-Mobbing-Profis weg sind. Jugendliche brauchen jedoch verlässliche Ansprechpartner vor Ort, die nicht nach ein paar Monaten verschwinden, weil ihr Vertrag abgelaufen ist.
* Die Opfer von Mobbing und Gewalt an Schulen bleiben im Anti-Mobbing-Projekt auf der Strecke. Für sie sind keine Beratungs- und Unterstützungsangebote vorgesehen. Ob die bereits vorhandenen Strukturen ausreichen oder ob zusätzliche Ressourcen erforderlich sind – darauf hat die Bundesregierung keine Antwort (Frage 18).
* Auch bei der Frage nach der Bekämpfung von Gewalt gegen Lehrkräfte zieht sich die Bundesregierung zurück und überlässt diese Aufgabe ausschließlich den Ländern (Frage 9).
Dazu erklärt Beate Walter-Rosenheimer, jugendpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion:
"Mobbing an Schulen ist grausam. Die Anonymität des Internets macht es noch einfacher für die Täter. Gemeinheiten verbreiten sich dort rasend schnell. Die Betroffenen erleben Angst, Scham, Ohnmacht. Mobbing kann fatale Folgen haben, bis hin zum Suizid. Schüler und Schülerinnen und auch Lehrkräfte brauchen hier eine flächendeckende, dauerhafte Unterstützung.
Die 170 Mobbingprofis, die die Familienministerin an den Start schickt, sind deshalb nichts anderes als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es ist zu befürchten, dass viele Kinder und Jugendliche, eine besonders schutzbedürftige Gruppe, mit ihren Nöten allein gelassen werden. Mobbing hat viele Gesichter. Dass sich Frau Giffey nur auf religiöses Mobbing konzentriert ist definitiv zu kurz gegriffen.
Schule muss ein Ort sein, wo Lernen und der Kontakt zu Gleichaltrigen Spaß macht. Auf keinen Fall darf daraus ein Ort der Angst werden, die im Leben der betroffenen Kinder, Jugendlichen und auch Lehrer und Lehrerinnen einen tiefen Riss hinterlässt."