Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD die Einrichtung von AnkERZentren vereinbart. Als Begründung wird auf die Beschleunigung des Asylverfahrens durch die Zentralisierung von zuständigen Behörden hingewiesen. Auch geflüchtete Heranwachsende - begleitete Kinder und Jugendliche mit ihren Familien sowie unbegleitete junge Menschen sollen lin AnkER-Zentren untergebracht werden, bis ihre Bleibeperspektive, Identität, wie auch ihr Alter geklärt sind.
Als Mitgliedsstaat der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 sowie als Mitglied der EU und des Europarats hat sich Deutschland verpflichtet, bei allen politischen Entscheidungen und Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen.
Ob das auch in den geplanten Einrichtungen gilt, wollte Beate Walter-Rosenheimer vom Bundesinnenministerium wissen. Die Antwort der Bundesregierung ist leider erschreckend.
Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete: Die Regierung lässt Dutzende Fragen unbeantwortet (SZ, 13.07.2018)
Zentrale Erkenntnisse:
* Die Bundesregierung und insbesondere Innenminister Seehofer sind offensichtlich immer noch „planlos“ was die Ausgestaltung der im Koalitionsvertrag angekündigten AnkER-Zentren betrifft. Insgesamt wurden 26 von 31 oder 84% der Fragen mit Verweis auf eine bevorstehende Evaluation oder auf die Zuständigkeit der Länder NICHT beantwortet. Die Bundesregierung hat offensichtlich entweder keinerlei Vorstellung, wie sie die Rechte von geflüchteten Kindern, die in solchen Zentren untergebracht werden sollen, gewährleisten kann oder ist nicht willens, diese Konzepte (falls es sie gibt) offen zu legen. Jegliche Verantwortung wird auf die Länder abgeschoben. Allerdings lehnt die überwiegende Mehrheit der Länder AnkER-Zentren ab.
* Aber auch die wenigen Antworten der Bundesregierung sind voller Widersprüche. So spricht sie sich zum Beispiel für bundesweite Standards zum Schutz von Frauen und Kindern in Massenunterkünften aus (Frage 4) und weist an einer anderen Stelle auf die ausschließliche Zuständigkeit der Länder in dieser Frage hin (Frage 30&31).
* Völlig unklar bleibt zudem, ob Kinder in AnkER-Zentren den Zugang zum Regelunterricht bekommen oder ob für sie – ähnlich wie für Kinder in Erstaufnahmeeinrichtungen – die Schulpflicht nicht gilt. Auch hier überlässt die Bundesregierung die Entscheidung den Ländern.
Die Bundesregierung ist außerdem fest davon überzeugt, dass der Aufenthalt in AnkER-Zentren keine psychische Belastung für Kinder bedeuten würde (Frage 22). Sie ignoriert dabei die Ergebnisse vieler wissenschaftlicher Studien, auf die wir auch in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage verweisen und die genau das Gegenteil beweisen.
* Auch bei der psychosozialen Unterstützung von geflüchteten Kindern ist die Bundesregierung der Meinung, dass die vorhandenen Angebote für Frauen und Kinder ausreichen (Frage 21). Nicht erwähnt bleibt die Tatsache, dass aufgrund der jetzigen Rechtslage eine Vielzahl von Psychotherapien abgelehnt wird und die betroffenen Kinder keine Behandlung erhalten (vgl. „Zukunft! Von Anfang an.“, Save the Children, 2018, S. 14).
Dazu erklärt Beate Walter-Rosenheimer:
"Auch beim Thema AnkER-Zentren erweist sich Seehofer als populistischer Ankündigungsminister. Statt seine Aufgaben als Bundesinnenminister zu erledigen, stiftet er Unruhe, Aufruhr und entwirft Vorhaben, die anscheinend in keiner Weise zu Ende gedacht wurden. Hinter seinen großen Plänen steht offenbar kein klares Konzept. Und schon gar kein Konzept für eine menschenwürdige und kindergerechte Unterbringung von häufig traumatisierten Kindern und ihren Familien. Hier zeigt sich einmal mehr, dass es Seehofer nicht um eine „erfolgreiche Integration“ geht, sondern er geflüchtete Menschen kasernieren und möglichst schnell abschieben will. Denn nichts anderes werden die sogenannten AnkER-Zentren sein: Sammellager für Rückführungen.
Die Bundesregierung wälzt ihre internationalen Verpflichtungen zur Umsetzung von Kinderrechten in den geplanten AnkER-Zentren auf die Länder ab, die diese doch größtenteils gar nicht wollen. Die Verantwortung für Seehofers "Zündeleien" sollen also andere übernehmen."