Zum Weltmädchentag am 11. Oktober erklärt Beate Walter-Rosenheimer, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte:
Die Welt brennt. Konflikte und Kriege haben ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht – von der Ukraine über Gaza bis hin zu Hungerkrisen in Afrika und Asien. Doch inmitten dieses Chaos gibt es eine Gruppe, die besonders leidet: Mädchen. Sie werden von der Welt vergessen, obwohl sie in den Krisengebieten die schwersten Lasten tragen.
Eine aktuelle Studie von Plan International zeigt alarmierende Zahlen. Fast 60 Prozent der befragten Mädchen in Konfliktgebieten leiden unter enormen psychischen Belastungen. Doch das ist nicht alles: Ein erschütterndes Drittel dieser Mädchen lebt täglich mit der Angst, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden. Die Hoffnungen und Träume einer ganzen Generation drohen zu zerbrechen.
Gerade am Weltmädchentag müssen wir daran erinnern: Diese Mädchen dürfen nicht unsichtbar bleiben. Ihre Zukunft ist unsere Zukunft. Sie brauchen unsere Hilfe – nicht nur in Form von Nahrung und einem sicheren Dach über dem Kopf, sondern vor allem durch den Zugang zu Bildung. Denn Bildung ist der Schlüssel, um aus diesem Kreislauf aus Gewalt und Unterdrückung auszubrechen.
Das Beispiel Afghanistan macht die Dramatik deutlich: Seit der Machtübernahme der Taliban wird Mädchen der Zugang zu weiterführenden Schulen und Universitäten verweigert. Ihre Träume von einem besseren Leben, von Berufen wie Ärztin oder Richterin, werden brutal zerschlagen. Ein ganzes Land verliert das Potenzial einer Generation.
Auch der Ukrainekrieg zeigt, wie stark Mädchen in bewaffneten Konflikten leiden – und gleichzeitig eine immense Stärke zeigen. Viele von ihnen müssen nach der Flucht aus ihrer Heimat in einem fremden Land die Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister übernehmen, während ihre Mütter arbeiten oder die Väter im Krieg kämpfen. Sie übernehmen plötzlich erwachsene Rollen, obwohl sie selbst noch Kinder sind. Gleichzeitig erleben sie Verlust, Zerstörung und die Ungewissheit, ob sie je in ein sicheres Zuhause zurückkehren können. Doch sie kämpfen weiter – für sich und ihre Familien.
Besonders erschütternd ist, dass viele der geflüchteten Mädchen im Exil weiterhin gefährdet sind, Opfer von Menschenhandel und sexualisierter Gewalt zu werden. Der Schutz von Mädchen auf der Flucht muss oberste Priorität haben – nicht nur in den Krisenregionen selbst, sondern auch in den Ländern, die Flüchtlinge aufnehmen.
Doch auch in anderen Teilen Europas, etwa in Deutschland, stehen Mädchen vor Herausforderungen, die wir nicht ignorieren dürfen. Auch hier erleben sie Diskriminierung, vor allem durch geschlechterspezifische Gewalt und strukturelle Ungleichheiten. Studien zeigen, dass in Deutschland jede dritte Frau in ihrem Leben Opfer von Gewalt wird – und oft beginnt das schon in jungen Jahren. Besonders in sozialen Brennpunkten sind Mädchen von fehlenden Bildungs- und Aufstiegschancen betroffen. Migrationshintergrund, Armut und veraltete Rollenbilder verstärken diese Ungerechtigkeiten. Wir müssen uns fragen: Wie können wir von einem gerechten Europa sprechen, wenn Mädchen mitten unter uns von Gewalt und Ausgrenzung betroffen sind?
In ganz Europa kämpfen junge Frauen für Gleichberechtigung, für den Schutz vor Gewalt, für gleiche Chancen. Der Kampf ist noch lange nicht gewonnen. Auch hier müssen wir Mädchen und junge Frauen stärken, ihnen eine Stimme geben und sicherstellen, dass ihre Rechte nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern in jeder Schule, in jeder Stadt gelebt werden.
Wir dürfen das nicht hinnehmen. Kinder müssen Kinder sein dürfen, egal wo sie leben. Menschenrechte sind auch Mädchenrechte. Es ist unsere Pflicht, ihre Stimmen hörbar zu machen – in Krisengebieten, in Europa und an den Verhandlungstischen dieser Welt. Nur so können wir ihnen die Zukunft geben, die sie verdienen.