Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

Wer in diesen Tagen die flüchtlingspolitische Debatte verfolgt, bekommt nicht selten abenteuerliche und absurde Vorschläge zu hören: Da will zum Beispiel eine CSU-Landesgruppenchefin Menschen abschieben, bevor sie überhaupt in Deutschland angekommen sind; … da will ein Ministerpräsident aus Sachsen-Anhalt Schutzsuchende benutzen, um den Mindestlohn zu untergraben und da will ein Finanzminister aus Bayern Zäune zur Flüchtlingsabwehr an den deutschen Grenzen errichten.Solche Vorschläge, meine sehr geehrten Damen und Herren,  verletzen geltendes Recht; sie vergiften das gesellschaftliche Klima; und sie sagen in der Sache rein gar nichts, dafür aber Einiges über die Mauern in den Köpfen derer, die Politik ganz offensichtlich mit Polemik verwechseln!

Den Hasselfeldts, Haselhoffs und Söders dieses Landes möchte ich deshalb sagen: Lassen Sie diesen Unsinn! 
Und Hören Sie auf, Menschen in gute und schlechte Flüchtlinge zu sortieren! Leisten Sie stattdessen endlich einen anständigen Beitrag, damit wir die großen Herausforderungen unserer Zeit meistern können! Eine dieser großen, vielleicht sogar die größte Herausforderung bei der Integration von Flüchtlingen ist der offene und schnelle Zugang zu Bildung und Ausbildung.

Über die Hälfte der Menschen, die auf der Suche nach Schutz und einer besseren Zukunft in diesen Wochen in Passau, München, Rosenheim und andernorts ankommen, ist unter 25 Jahre alt. Allein dieses Jahr werden das voraussichtlich eine halbe Million Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sein. 

Es muss vor allem auch Ihnen, Frau Wanka, ein Anliegen sein, dass diese 500.000 jungen Menschen schnell und unbürokratisch in Kitas, Schulen, Berufsschulen und Unis unterkommen.

Der Zugang zu Bildung ist keine kleine Fußnote einer allgemeinen Flüchtlingsagenda.  Bildung – davon sind wir überzeugt – ist DER zentrale Dreh- und Angelpunkt jeder gelungenen Asyl- und Integrationspolitik! Kitas, Schulen, Betriebe und Universitäten schaffen nicht nur einen neuen Alltag und geben damit Halt und Sicherheit. Sie sind auch der erste und wichtigste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben.

Wer das nicht sieht, der ist entweder blind oder weigert sich aus parteipolitischer Taktierei, in der Realität des 21. Jahrhunderts anzukommen. …

Länder, Kommunen und die vielen ehrenamtlichen Helfer leisten schon heute Beachtliches, wenn es darum geht, jungen Flüchtlingen Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Das verdient unseren großen Respekt und Dank!

Es fordert aber auch den Bund heraus, deutlich mehr Verantwortung zu übernehmen. Dieser Verantwortung muss sich auch die Bundesregierung endlich stellen! Und das Hören Sie heute nicht zum ersten Mal! Und das hören Sie auch nicht nur von mir! 
Wenn der deutschen Bildungsministerin da aber nicht mehr einfällt, als eine Smartphone-App zum Deutschlernen und der Geistesblitz, auf noch mehr Ehrenamtliche zu setzen, …. dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehe ich für die Zukunft buchstäblich schwarz.

Dass Sie, Frau Wanka, offenbar nicht mit Zahlen rechnen, das wissen wir spätestens seit der „Heute-Show“. Wenn Sie nun aber allen Ernstes glauben, mit einem mickrigen 130-Millionen-Programm fehlende Investitionen in Milliardenhöhe wett zu machen, dann haben Sie sich dieses Mal so richtig verrechnet! Bildung, das sollte eine Bildungsministerin doch am besten wissen, gibt es nicht zum Nulltarif.

Statt Smartphone-Apps und kleinen Modellprojekten brauchen wir eine große Bildungsoffensive, die auch in der Fläche wirkt. Das kostet aber auch Geld ….. Geld, das Sie, sehr geehrte Ministerin, offenbar nicht bereit sind, zu investieren. Aber auch jenseits von finanzieller Unterstützung sollte die Bundesregierung so langsam ihre Arbeit aufnehmen.  

Seit vielen Monaten drängt die Wirtschaft zum Beispiel auf ein sicheres Bleiberecht während der Berufsausbildung. Hören Sie zur Abwechslung doch mal auf Ihre Freunde aus der Wirtschaft! Und schaffen Sie endlich eine rechtssichere Lösung, die diesen Namen auch verdient!

Das gleiche gilt für den Zugang zu den Unterstützungsangeboten während der Ausbildung. Asylsuchende und Geduldete sind hier noch immer stark benachteiligtt. Es ist doch absurd, einen jungen, motivierten Menschen in den ersten 15 Monaten von jeder Hilfe auszuschließen, obwohl er vielleicht schon nach 3 oder 6 Monaten eine Ausbildung oder ein Studium aufnehmen könnte!

Warum sperren Sie sich denn so gegen die Vorschläge von Arbeitgebern und Gewerkschaften?

Geben Sie sich doch ausnahmsweise mal einen Ruck! … Und lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass alle jungen Flüchtlinge in Deutschland auf ihrem Weg zur Fachkraft vom ersten Tag an unterstützt werden.
Wir dürfen in dieser Debatte eines nicht vergessen: Bildung ist nicht nur der Grundstein für ein selbstbestimmtes Leben. Teilhabe durch Bildung ist auch der soziale Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Sehr konkrete Vorschläge, wie dieser Kitt gestärkt werden kann, finden Sie in unserem Antrag.

Eine Selbstlern-App, so gut sie als niedrigschwelliges Angebot auch gemeint sein mag, wird hier definitiv nicht ausreichen.

Lesen Sie hier unseren Antrag "Zugang zu Bildung und Ausbildung für junge Flüchtlinge sicherstellen."