Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuhörerinnen,
239 Fragen und keine Antworten...das fällt mir heute spontan zum Thema Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ein. 239 Fragen haben wir Grünen nämlich in einer Großen Anfrage der Bundesregierung im Herbst des vergangenen Jahres zu diesem Thema gestellt.
Und bis heute haben wir keine Antwort.
Die Bundesregierung hat sich 9 Monate zur Beantwortung erbeten. Eine Menge Zeit... wie wir alle wissen, entsteht da mitunter ein ganzer Mensch. In diesem Sinne hoffen wir, dass die Antworten dann auch wirklich Hand und Fuß haben.
Wir wollen von der Bundesregierung zu den unterschiedlichsten Themenkomplexen Auskunft. So fragen wir zum Beispiel zu Einreise und Identifizierung, zum Flughafenverfahren, zur Inobhutnahme oder zur Vormundschaft. Zu all diesen relevanten Themenfeldern haben wir ausführlich recherchiert, was im Argen liegt und wo wir Änderungen und schnelle Maßnahmen für dringend notwendig halten.
Dazu haben wir nicht nur viele Einrichtungen, Erstaufnahmen und Flüchtlingsunterkünfte landauf landab besucht, sondern auch mit allen relevanten Organisationen und Verbänden gesprochen. Vielen Menschen gilt an dieser Stelle unser herzlicher Dank für die fachliche Unterstützung.
Gerade weil die Bundesregierung sich wirklich viel Zeit lässt, obwohl das Thema topaktuell und vor allem hochbrisant ist, gerade deshalb freuen wir uns, dass Sie heute das Thema mit ihrem Antrag auf die Tagesordnung bringen. Und was Sie fordern, können wir voll und ganz unterstützen.
So zum Beispiel
- die Verankerung des Vorrangs des Kindeswohls ("best interest of the child") in den Asylverfahren,
- das umgehende Heraufsetzen des Alters für die Verfahrensmündigkeit auf 18 Jahre
- oder die Clearingverfahren in den Ländern auf hohem Niveau zu standardisieren und zu harmonisieren
Es ist wirklich schlimm, dass die Bundesrepublik Deutschland immer noch gegen die UN-Kinderechtskonvention verstößt und immer wieder ermahnt werden muss. Das ist doch skandalös!
In der Kinderkommission, Herr Müller, Frau Rüthrich, Herr Pols, Sie waren ja dabei, hat vor wenigen Wochen ein junger Flüchtling aus Afghanistan sehr erschütternd über seine Flucht, die Trennung von seinen Brüdern und seinen langen Aufenthalt in Zwischenstationen berichtet.
Und das hören wir überall, wo wir mit betroffenen Menschen reden. Dieser Zustand ist unerträglich.
Wenn diese jungen Menschen hier ankommen, sind sie gezeichnet von einem langen Leidensweg und oft traumatisiert. Als erstes brauchen sie Ruhe, Sicherheit und Grundversorgung. Deshalb brauchen wir nicht nur eine Versorgung mit Kleidung, Nahrung und Schlafplätzen, sondern dringend geeignete sozialpädagogische und auch therapeutische Unterstützung.
Und hier hakt es aus vielen Gründen. Die Jugendämter fühlen sich überlastet, Therapieplätze für Kinder und Jugendliche gibt es in Deutschland ohnehin schon zu wenig und in diesen speziellen Fällen fehlen auch noch dazu Dolmetscher oder noch besser Therapeuten und BetreuerInnen, die die Sprache des Flüchtlingskindes sprechen.
So geht das Elend für die Flüchtlinge hier, in unserem reichen Land, oft noch weiter.
Und genau deshalb fordern wir Grünen immer wieder, bei jeder Haushaltsberatung, mehr Geld für die Jugendhilfe. Hier braucht es dringend eine Stärkung und mehr Personal!
Und zum Schluss noch ein weiterer kritischer Punkt: die geplante Umverteilung. Ich hoffe wirklich sehr, dass die Bundesregierung die Verteilung der jungen Flüchtlinge im Bundesgebiet vorranging nach dem Kindeswohl statt nach festen Quoten auszurichten gedenkt.
Denn nur nochmal zur Erinnerung: Wir sprechen hier von etwa 14.000 Kindern und Jugendlichen, die ein besonderes Schutzbedürfnis haben.
Deren Schicksale lassen uns nicht kalt!