Heute habe ich mich mit „Terre des Hommes“ und deren polnischer Partnerorganisation "Egala" zu einem Gespräch getroffen, das die drängende humanitäre Krise an der polnisch-belarussischen Grenze erneut in den Fokus gerückt hat. Angesichts der anhaltenden Herausforderungen für Europa ist es unerlässlich, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden und die Rechte von geflüchteten Menschen – insbesondere von Kindern – schützen.
Die polnische Regierung hat bereits im Juni 2024 eine neue Sperrzone eingerichtet, die den Zugang zu den Grenzgebieten erheblich einschränkt. Diese Maßnahme verschärft die ohnehin schon katastrophale humanitäre Lage weiter. Journalist*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und humanitäre Organisationen sind von diesem Gebiet ausgeschlossen. Familien und unbegleitete Minderjährige, die in dieser Zone festsitzen, sind damit vollständig von humanitärer Hilfe abgeschnitten. Berichten zufolge verharren diese Menschen unter extrem prekären Bedingungen, ohne Zugang zu Nahrung, Wasser oder medizinischer Versorgung.
Die Situation hat sich im Laufe der letzten Jahre zunehmend zugespitzt. Gewalt an den Grenzen, illegale Pushbacks und Misshandlungen von Geflüchteten sind an der Tagesordnung. Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche, die ohne Begleitung fliehen, den größten Risiken ausgesetzt sind. Berichte von Organisationen wie Terre des Hommes und Egala zeigen, dass viele von ihnen sich in den Wäldern verstecken, um der Gewalt zu entgehen. Dort müssen sie oft tagelang oder gar wochenlang ohne grundlegende Versorgung auskommen, in ständiger Angst vor Entdeckung durch die Behörden. Solche Berichte verdeutlichen, wie schwer die Bedingungen an der Grenze tatsächlich sind.
Sehr erschütternd ist auch die symbolische und physische Barriere, die der 5,5 Meter hohe Grenzzaun darstellt, den die polnische Regierung errichtet hat. Er steht für eine Politik der Abschottung, die den Zugang zu einem fairen Asylverfahren verweigert und den Schutzsuchenden keine Möglichkeit gibt, ihre Rechte geltend zu machen. Der Zaun, der mit Stacheldraht verstärkt wurde, dient auch als Mittel für illegale Pushbacks, bei denen Migrant*innen zurück nach Belarus gedrängt werden – oft ohne jegliche rechtliche Überprüfung ihres Status. Die Tür im Zaun, die für diese Pushbacks verwendet wird, ist ein Symbol für die inhumane Politik der EU gegenüber den Schwächsten.
Das Gespräch mit Terre des Hommes und Egala macht deutlich, dass die humanitäre Krise an der Grenze nicht nur das Ergebnis unzureichender politischer Maßnahmen ist, sondern auch eine Frage der moralischen Verantwortung. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen dieser Krise nicht nur mit Worten, sondern auch mit konkreten Taten begegnen. Jeder Mensch, besonders jedes Kind, hat das Recht auf Schutz und Würde. Terre des Hommes betont zurecht: Es darf nicht sein, dass die am stärksten gefährdeten Menschen von den Schutzmechanismen Europas ausgeschlossen werden.
Seit 2021 hat sich die Situation kontinuierlich verschärft. Der Bau von Zäunen und die Einführung von Sperrzonen sind nicht die einzigen Herausforderungen, denen sich Geflüchtete stellen müssen. Illegale Pushbacks, die von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch dokumentiert wurden, sind zur alltäglichen Praxis geworden. Geflüchteten wird systematisch der Zugang zu einem fairen Asylverfahren verwehrt, und selbst unbegleitete Minderjährige sind extremen Gewaltsituationen ausgesetzt. Berichte über Misshandlungen durch belarussische und polnische Grenzbeamte zeigen, dass die Rechte dieser schutzbedürftigen Menschen massiv verletzt werden.
Die Kriminalisierung von humanitären Helfer*innen ist ein weiteres alarmierendes Phänomen. So beginnt beispielsweise im Januar 2025 das Gerichtsverfahren gegen fünf Aktivistinnen und Aktivisten, die für Hilfeleistungen im Jahr 2021 angeklagt sind. Die Anklagen basieren auf der Behauptung, sie hätten illegale Migration unterstützt. Diese Helfer*innen riskieren lange Haftstrafen, obwohl sie lediglich humanitäre Hilfe leisten.
Neben den humanitären Auswirkungen hat die Grenzkrise auch erhebliche ökologische und wirtschaftliche Folgen, insbesondere für den Białowieża-Nationalpark, der als UNESCO-Weltnaturerbe von globaler Bedeutung ist. Der Park war bereits in der Vergangenheit mehrfach aufgrund der Migrationskrise und der Grenzpolitik vorübergehend geschlossen. Nun, da der Park wieder zugänglich ist, stellt sich die Frage, wie sich der Bau des Grenzzauns auf dieses wertvolle Ökosystem auswirkt. Der Zaun behindert die Wanderungsbewegungen von Wildtieren wie Wisenten, Wölfen und Elchen und gefährdet so die Fortpflanzung und das Überleben dieser Arten. Darüber hinaus hat der Bau selbst zur Zerstörung von Teilen des Waldes geführt und wertvolle Lebensräume beeinträchtigt.
Auch der Tourismus, eine wichtige Einnahmequelle für die Region, ist von den Auswirkungen der Krise betroffen. Während der Nationalpark nun wieder geöffnet ist, könnte die anhaltende Unsicherheit in der Region viele Touristinnen abschrecken. Die verstärkte militärische Präsenz und die allgemeinen Spannungen an der Grenze beeinträchtigen die Attraktivität des Parks als Erholungsgebiet. Gleichzeitig besteht die Sorge, dass ein unkontrollierter Zustrom von Touristinnen den bereits gestressten Park weiter belasten könnte