Diesen Sommer reiste ich privat durch das Baltikum mit Fähre, Bus und Bahn – drei kleine Länder am Rande Europas, die eine unbeschreibliche Schönheit und eine faszinierende Geschichte in sich tragen. Estland, Lettland und Litauen – oft übersehen, aber voller Überraschungen. Jeder Kilometer war geprägt von malerischen Landschaften, historischen Städten und der Ruhe der Ostseeküste. Vom mittelalterlichen Charme der Altstadt von Tallinn bis zu den weiten Stränden von Jūrmala und den barocken Schätzen von Vilnius – das Baltikum zog mich schnell in seinen Bann. Doch diese Reise war mehr als nur eine visuelle Entdeckungsreise. Es war eine Reise, die den Horizont erweiterte – denn hinter den malerischen Kulissen verstecken sich Geschichten von Widerstand, Solidarität und politischen Kämpfen, die mich tief berührten.

Während ich durch die Straßen schlenderte und die Natur genoss, konnte und wollte ich die gegenwärtige Realität nicht ignorieren. Der Krieg in der Ukraine hallt im Baltikum mit einer besonderen Dringlichkeit wider. Die Erinnerungen an die sowjetische Besatzung sind hier noch frisch, und die Angst vor einer erneuten Aggression durch Russland ist allgegenwärtig. In Estland, Lettland und Litauen trifft man auf eine beispiellose Solidarität mit der Ukraine. Die Flaggen der Ukraine wehen in vielen Städten neben den eigenen Nationalflaggen, und man spürt die tiefe Verbundenheit der baltischen Staaten mit dem ukrainischen Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit. Hier versteht man die Bedrohung, die Russland darstellt, nur zu gut – die Angst vor einer Eskalation des Konflikts ist real, und doch wird sie von einem unbeugsamen Willen zur Verteidigung der eigenen Souveränität und der Unterstützung für die Ukraine begleitet.

In Gesprächen mit Einheimischen spürte ich nicht nur Stolz auf ihre hart erkämpfte Freiheit, sondern auch eine gewisse Nervosität angesichts der geopolitischen Lage. Estland, Lettland und Litauen sehen sich als Frontstaaten im Kampf für demokratische Werte in Europa – sie wissen, dass ihre Sicherheit eng mit dem Schicksal der Ukraine verknüpft ist. Diese Solidarität zeigt sich nicht nur in Worten, sondern auch in Taten: Alle drei Länder haben Hilfslieferungen an die Ukraine geschickt, Flüchtlinge aufgenommen und sich politisch klar positioniert. Die Balten verstehen den Ukraine-Krieg nicht nur als eine ferne Krise, sondern als einen Kampf, der ihre eigene Freiheit und Sicherheit direkt betrifft.

Doch auch inmitten dieser politischen Spannungen bleibt die Schönheit des Baltikums überwältigend. Die Küstenlinie der Ostsee, die tiefen Wälder und die historischen Städte verleihen der Region eine besondere Magie. Aber hinter den idyllischen Fassaden gibt es tiefere, politisch aufgeladene Geschichten zu erzählen. So wie die Roma in Estland, Lettland und Litauen nach Anerkennung und besseren Lebensbedingungen streben, so kämpfen auch LGBTQ+-Personen für mehr Gleichberechtigung. Und im Schatten des Krieges in der Ukraine wird deutlich, dass Freiheit nie selbstverständlich ist – sie muss immer wieder verteidigt werden.

Diese Reise war mehr als nur eine private Flucht in die Natur und Kultur. Sie war eine Erkundung der politischen Realität, die das Baltikum prägt – eine Realität, in der die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft in einem fragilen Gleichgewicht stehen.

Lesen Sie hier einen Beitrag zu den Menschenrechten im Baltikum.

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