Zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Inneres und Heimat zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE „Genfer Flüchtlingskonvention verteidigen – Asylrecht in der Europäischen Union sichern” (BT-Drucksache 20/6902) hat Beate Walter-Rosenheimer eine persönliche Erklärung abgegeben: 

"Abstimmungen über die Rechte schutzsuchender Menschen gehören zu den Entscheidungen, die unzweifelhaft das Gewissen und die moralische Verantwortung eines jeden Einzelnen betreffen.
Jede dieser Entscheidungen hat direkte Auswirkungen auf das Leben und die Zukunft von Menschen, die in Deutschland und der Europäischen Union Schutz und Hilfe suchen.

Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel-Koalition auf eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik verständigt, die die Lage an den Außengrenzen verbessert und die Verantwortung bei der Aufnahme von Geflüchteten unter den Europäischen Mitgliedsstaaten fair verteilt und für geordnete und rechtsstaatliche Verfahren sorgt.
Es braucht dringend eine Reform der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik, die die reale Situation der Geflüchteten verbessert, Humanität und Ordnung garantiert und unsere Kommunen entlastet. Dabei dürfen nicht Geflüchtete, sondern die Ursachen irregulärer Migration bekämpft werden.

Vor dieser Maßgabe sind die Ergebnisse aus dem Rat der Innen- und Justizminister*innen der EU absolut nicht zufriedenstellend. Die Position zur GEAS-Reform im Rat berücksichtigt das individuelle Recht auf rechtsstaatliche Verfahren und den Schutz von Kindern nicht in ausreichendem Maß.

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Bedingungen an den Außengrenzen durch schlechtere Standards und Grenzverfahren verbessert werden. Schlechtere Bedingungen und haftähnliche Zustände haben bereits in der Vergangenheit zu immer mehr Leid und Chaos geführt.

Auch ein verbindlicher Verteilmechanismus, der eine faire Verteilung der Schutzsuchenden innerhalb der EU maßgeblich vorangebracht hätte, ist nicht Teil der Einigung. Es bleibt bei einer rein freiwilligen Verteilung. Einige Mitgliedstaaten haben bereits angekündigt, sich nicht an der Verteilung zu beteiligen.

Mit den Vereinbarungen werden allerdings die Bedingungen an den Außengrenzen weiter verschlechtert, durch die zusätzlichen Inhaftierungsmöglichkeiten in den verpflichtenden Grenzverfahren und die Schwächung der UN-Kinderrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention. Ein Großteil der bei uns in Europa schutzsuchenden Menschen könnte durch die Ausweitung der sicheren Drittstaaten und sicheren Herkunftsstaaten in der Reform in Zukunft von rechtsstaatlichen und fairen Verfahren ausgeschlossen sein.
Zu diesen Schlüssen kommt auch die Folgeabschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments.

Für eine menschenrechtsorientierte und evidenzbasierte Geflüchtetenpolitik gibt es momentan zu wenig Verbündete im Rat der Europäischen Innenministerinnen und Minister. Das liegt auch an einem jahrelangen Rechtsruck in Europa, der aber nur mit echten Lösungen und nicht mit neuen Scheinlösungen bekämpft werden kann. Hierfür braucht es eine gemeinsame demokratische Kraftanstrengung.

Bei den weiteren Verhandlungen im Rahmen des Trilogs des Rates mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission müssen maßgebliche Nachbesserungen erreicht werden, um das individuelle Recht auf Schutz und rechtsstaatliche Standards bei den Asylverfahren sicherzustellen. Eine Reform, die nach dem Trilog zustimmungsfähig ist, muss menschen- und völkerrechtlichen Mindeststandards genügen.

Ich lehne den Antrag dennoch ab und folge der Beschlussempfehlung des Ausschusses.
Aber das ist ausdrücklich nicht als Ablehnung einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik zu verstehen."